Caritasverband

Stadt und Landkreis Schweinfurt

Bischof Jung besucht ANKER-Zentrum

Gespräche mit Vertretern des Ärztezentrums, des Projekts „SoulTalk“ sowie der Flüchtlings-und Integrationsberatung – Einrichtungsleiter Kraus: Kirche erfüllt wichtigen Auftrag

Geldersheim (POW) Über die Arbeit der ANKER-Einrichtung Unterfranken in Geldersheim (Dekanat Schweinfurt) hat sich Bischof Dr. Franz Jung bei einem Besuch am Dienstag, 13. Dezember, informiert. ANKER steht für Ankunft, Entscheidung und Rückführung. In den Gesprächen sei deutlich geworden, dass das ANKER-Zentrum für viele Menschen einen positiven Haltepunkt biete, sagte der Bischof nach seinem Rundgang sichtlich beeindruckt. Viele Menschen kämen immer wieder, weil sie hier feste Ansprechpartner hätten und kompetente Beratung fänden. „Es war sehr wichtig zu sehen, dass das auch ein Anker für viele Menschen ist.“ Die katholische Kirche erfülle hier einen wichtigen Auftrag, sagte Benjamin Kraus, Leiter der ANKER-Einrichtung Unterfranken. Bei dem Besuch sprach Bischof Jung mit Vertretern des Ärztezentrums und des Projekts „SoulTalk“, hinter denen das Sankt Josef-Krankenhaus der Erlöserschwestern in Schweinfurt steht, sowie der Flüchtlings- und Integrationsberatung des Diakonischen Werks Schweinfurt und des Caritasverbands Schweinfurt.

Foto: Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)

von links: Bischof Franz Jung im Gespräch mit Kilian Martin, Bischofsreferent; Frank Kupfer-Mauder, Geschäftsführer Caritasverband Schweinfurt; Kilian Hartmann, Vorsitzender Caritasverband Schweinfurt; Christine Steinmüller, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste Caritasverband Schweinfurt; Regierungssprecher Johannes Hardenacke; Manfred Wetzel, Leiter des Bereichs Sicherheit, Kommunales und Soziales bei der Regierung Unterfranken; Einrichtungsleiter Benjamin Kraus; Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann.

Kraus und Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann informierten den Bischof über die Einrichtung, die sich seit Mitte 2019 auf dem Kasernengelände der ehemaligen US-amerikanischen Conn-Barracks befindet. Aktuell lebten hier 1582 Menschen, davon seien jeweils rund 150 Frauen und Minderjährige. Schwerpunktländer seien Algerien, Armenien, die Elfenbeinküste und Somalia, außerdem nehme man turnusmäßig Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien auf. „Wir haben es geschafft, mit jedem zu kommunizieren“, sagte Kraus. Die Verständigung erfolge meist auf Englisch. Aber es helfen auch Geflüchtete als so genannte Verwaltungshelfer beim Dolmetschen. „Sie haben einen ganz anderen Zugang zu ihren Landsleuten“, sagte Kraus. In den Medien entstehe oft der Eindruck, dass die Menschen über eine lange Zeit im Zentrum blieben, sagte Ehmann: „Aber die Einrichtung ist durch Fluktuation geprägt.“ Die durchschnittliche Verweildauer betrage aktuell etwa zwei, zweieinhalb Monate. Insgesamt arbeiten hier rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

In der ehemaligen Kapelle zeigte Kraus dem Bischof, wie bei Bedarf zusätzliche Plätze eingerichtet werden können – mit Stockbetten und Vorhängen als Raumteilern. Vorübergehend könnten die Menschen auch in Thermohallen untergebracht werden. Die Einrichtung sei rund um die Uhr aufnahmefähig, erklärte der Leiter. Die ankommenden Menschen würden zunächst mit dem Nötigsten versorgt – Betten, Essen, Kleidung. In einem zweiten Schritt würden sie registriert und erhielten eine ärztliche Eingangsuntersuchung. Die so genannte „Anschlussunterbringung“ erfolge dann in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentralen Einrichtungen.

Im Ärztezentrum empfing Dr. Özlem Anvari, Kinderärztin und Leiterin des medizinischen Versorgungsteams, die Besucher. Zum Team gehören zudem zwei Allgemeinärzte und acht medizinische Fachangestellte. Jeder Mensch, der in der ANKER-Einrichtung ankomme, erhalte eine Erstuntersuchung, erklärte sie. Zudem würden pro Woche fünf allgemeinärztliche Sprechstunden angeboten, außerdem kinderärztliche, gynäkologische und psychiatrische Sprechstunden. „Viele haben noch nie einen Arzt gesehen. Sie kommen aus Ländern ohne eine adäquate Versorgung, oder sie können sich diese nicht leisten“, erklärte die Ärztin. Im November habe man mehr als 4800 Patientenkontakte gezählt. Die Erstuntersuchungen dienten auch dazu, Infektionskrankheiten wie HIV oder Tuberkulose zu erkennen. Das Team biete zudem Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen an. „Die Arbeit ist anstrengend, aber auch erfüllend. Man kann hier einen Unterschied machen“, sagte Anvari.

Psychologin Laura Schrappe leitet das Projekt „SoulTalk“, eine niederschwellige psycho-soziale Beratung von Geflüchteten für Geflüchtete. „Wir arbeiten mit Menschen, die selbst einen Fluchthintergrund haben und geschult werden, um Beratungsgespräche anzubieten.“ Außerdem gehören zum Team zwei Psychologen und eine Praktikantin. Die Gespräche können auf Englisch und Französisch, aber auch Arabisch und Persisch angeboten werden. Im Mittelpunkt stehe die aktuelle Situation der Geflüchteten: „Wie geht es Dir jetzt, wie kann ich Dir helfen? Was hat Dir früher geholfen?“  Seit zwei Jahren würden auch Aktivitäten wie Yoga oder Fußball angeboten. Die Klienten seien nicht nur durch die Situation in ihrem Herkunftsland vorbelastet, sondern viele auch durch die lange Wartezeit in Deutschland, „das lange Ausharren in Unsicherheit“, oder die Sorge um ihre Familie, erklärte Schrappe. Kinderärztin Anvari bezeichnete „SoulTalk“ als ein „Leuchtturmprojekt“.

Christine Steinmüller, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste des Caritasverbands Schweinfurt, stellte die Flüchtlings- und Integrationsberatung vor. Hier sind insgesamt neun Personen in der Beratung und drei in der Kinderbetreuung tätig. Sie kommen je zur Hälfte von der Caritas und der Diakonie. Im vergangenen Jahr habe man rund 26.000 Beratungskontakte gezählt. Die Themen seien sehr unterschiedlich: Manche bräuchten Hilfe mit Anträgen oder deutschen Schriftstücken, andere wollten zu ihren Angehörigen in eine andere Stadt verlegt werden. Was denn die größten Sorgen der Bewohner seien, wollte Bischof Jung wissen. „Das ist individuell verschieden“, sagte Florian Blauth, Flüchtlings- und Integrationsberater. Viele hätten große Angst, in einen anderen Staat abgeschoben zu werden. Oder sie hätten Angst um ihre Familien, die noch in den Herkunftsländern lebten.

Foto: Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)

Mitte: Christine Steinmüller, Fachbereichsleitung Soziale Dienste im Caritasverband Schweinfurt, erläutert die Arbeit der Flüchtlings-und Integrationsberatung

Nachmittags wird eine offene Kinderbetreuung mit Bewegungs- und Bastelangeboten für Kinder von drei bis zwölf Jahren angeboten, die von 50 bis 60 Kindern besucht werde. Ab sechs Jahren werden die Kinder in der Grund- und Mittelschule von Lehrerinnen und Lehrer der Hugo-von-Trimberg-Schule in Niederwerrn betreut. Das sei kein normaler Unterricht, erklärte Steinmüller. Aber die Kinder würden damit vertraut gemacht, wie eine deutsche Schule funktioniert. Das alles sei nur möglich durch die Unterstützung der Diözese und der Menschen, die Kirchensteuer bezahlen, betonte Kilian Hartmann, Vorsitzender des Caritasverbands Schweinfurt.

Das Thema Flucht und Migration habe aktuell eine neue Dimension erhalten, sagte Bischof Jung. In der öffentlichen Diskussion seien die ANKER-Einrichtungen anfangs mit einem „negativen Touch“ belastet gewesen. „Der Besuch hat mir diese Einrichtung ganz neu erschlossen. Zu sehen, wie viele Menschen hier arbeiten, was hier geleistet wird und welche Fülle von Unterstützungsmöglichkeiten vorgehalten wird, ist sehr beeindruckend.“ Es sei wichtig, hier als Kirche präsent zu sein, betonte der Bischof. „Die Arbeit mit Geflüchteten ist ein wesentlicher Teil unseres gesellschaftlichen Engagements. Es ist ganz wichtig zu sehen, was hier getan wird.“

sti (POW)

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